Montag, 9. März 2015

Newton: Raum und Zeit sind absolut

(zuletzt geändert im Januar 2024)

Nach Newton sind Raum und Zeit absolut in dem Sinne, dass sie für sich Bestehendes, eigenständig Seiendes sind. So jedenfalls wird er allgemein interpretiert. *) Insbesondere von Physikern wird das Absolute im vollkommen gleichmäßigen Verlauf der Zeit gesehen, im Unterschied zur ungleichmäßig verlaufenden relativen Zeit. 

"Die absolute, wahre und mathematische Zeit fließt an sich und ihrer Natur nach gleichmäßig, ohne Beziehung auf äußere Gegenstände. Mit einem anderen Wort wird sie auch als Dauer bezeichnet."

Mit diesen Worten beschreibt Isaac Newton (1642 - 1727) die absolute Zeit. Newton war der Meinung, dass die absolute Zeit etwas Selbstverständliches sei, das man eigentlich nicht näher erklären müsse. ("Zeit, Raum, Ort und Bewegung als allen bekannt, erkläre ich nicht...") Der Grund dafür ist einfach. Newton beschreibt nämlich nichts anderes die uns allen angeborene Vorstellung von Zeit: Es gibt nur eine Zeit, und sie verläuft gleichmäßig.

Wenn Newton die Zeit auch als Dauer bezeichnet, so scheint dies nur vordergründig den Relationismus seines Zeitgenossen und Kontrahenten Leibniz zu stützen. Tatsächlich ist es aber ein grundlegender Unterschied, ob man die Zeit als ein existierendes Ding (Newton) oder als Relation zwischen Dingen bzw. Ereignissen (Leibniz) auffasst.

Newton verwendet auch bereits den Begriff der relativen Zeit. Als relativ bezeichnet er die mit Hilfe von Bewegung gemessene Zeit - im lateinischen Original "Durationis per motum mensura", in der Übersetzung von Motte 1729 "measure of Duration by the means of motion". Wenn Newton die relative Zeit als das Maß der Dauer bezeichnet. so mag dies auf den ersten Blick als unverständlich erscheinen, denn "Dauer" ist bei Newton nur ein anderes Wort für die absolute Zeit. Wenn hinter Newtons Worten ein nachvollziehbarer Gedanke steht, dann besagt dieser, dass wir die Zeit nur mit Uhren messen können. Uhren gehen aber nie absolut gleichmäßig, gleich ob wir die Schwingungen eines Pendels oder die Erdrotation als Uhr verwenden. In diesem Sinne ist das Messergebnis stets relativ.  

Newtons Hoffnung richtete sich darauf, dass der gleichmäßige Gang der Uhren durch den Fortschritt von Wissenschaft und Technik stets verbessert werde. Diese Hoffnung hat sich durch die modernen Atomuhren, die in mehreren Millionen Jahren theoretisch nur um eine Sekunde vom gleichmäßigen Gang abweichen, weitgehend erfüllt.

Die absolute Zeit hat nach Newton drei Merkmale:

-  sie ist universell, das heißt es gibt nur eine Zeit, die überall die selbe ist

-  sie verläuft gleichmäßig

-  sie existiert unabhängig von anderen Dingen und ist daher "Substanz" im Sinne eines eigenständig existierenden Dings. Diese Auffassung wird als "Substantialismus" bezeichnet, im Gegensatz zum "Relationismus" von Leibniz.


Die universelle Zeit:
Anders als ein Raumpunkt, der einen bestimmten Ort bezeichnet, unterliegt ein Zeitpunkt keiner räumlichen Beschränkung. Jeder Augenblick, den ich mit "Jetzt" bezeichne, ist im gesamten Universum derselbe. In jedem Augenblick geschehen überall gleichzeitig unzählige Ereignisse. Wenn jeder Zeitpunkt überall der selbe ist, so gibt es nur eine Zeit.

Die gleichmäßig verlaufende Zeit:
Nur mit der gleichmäßig verlaufenden Zeit ist ein festes Zeitmaß gegeben. Gleichmäßig verlaufende Zeit bedeutet, dass eine Sekunde stets die gleiche Dauer hat. Deshalb kann die Zeit nur mit gleichmäßig gehenden Uhren gemessen werden. Damit ist der gleichmäßige Verlauf der Zeit ein logisch-mathematisches Prinzip, auf dem die Zeitmessung und die Idee der Uhr beruht. Nicht ohne Grund bezeichnet Newton die absolute Zeit auch als mathematische Zeit.

Die relativistische Physik argumentiert, es könne keine absolute Zeit geben, weil es für den gleichmäßigen Verlauf kein Bezugssystem in der Natur gibt. Sie verkennt dabei, dass die Zeit als abstraktes Ordnungssystem keines materiellen Bezugssystems bedarf. Ebenso wenig bedarf z.B. die Mathematik eines materiellen Bezugssystems (wie der Positivismus des 19. Jahrhunderts glaubte), da sie auf reiner Logik beruht.


Die Zeit als Substanz:
Hier liegt der hauptsächliche Kritikpunkt an Newtons Zeitbegriff. Der Substantialismus kann nicht erklären, was die Zeit ist, die unabhängig von anderen Dingen existiert. Newton selbst erklärte Raum und Zeit an anderer Stelle als Organe Gottes, was Ausdruck seiner religiösen Überzeugung war. Heute vermutet man dahinter auch die Absicht, dem Verdacht der Gotteslästerung entgegenzuwirken. Denn absolut konnten nur Gott und seine Organe sein, nicht aber die von ihm geschaffenen Dinge.

Die Dinge existieren in Raum und Zeit. Gäbe es die Dinge nicht, so gäbe es immer noch Raum und Zeit. Dies ist der Kern von Newtons Auffassung von Raum und Zeit.

Die theoretische Physik hat Newtons Vorstellungen über Raum und Zeit bis heute nicht überwunden. Sie kann nicht erklären, was Raum und Zeit sind, hält sie aber für physikalische Dinge, die in rätselhaften Wechselwirkungen mit der Materie stehen (Krümmung der Raumzeit durch Schwerkraft).    

---
*) "Substanz" bezeichnet in der Metaphysik ein selbständig Seiendes. Weil Newton die absolute Zeit als unabhängig von anderen Dingen beschreibt, wurde seine Auffassung durch die Nachwelt als Substantialismus bezeichnet. Welche Art von selbständig Seiendem Raum und Zeit sind, dazu hat Newton nur wenig Erhellendes gesagt. Ed Dellian, der Herausgeber einer deutschsprachigen Ausgabe der "Principia mathematica" (Hamburg 1988) vertritt die Auffassung, dass eine Neuinterpretation von Newton angebracht ist. Seine tiefschürfende Analyse von Newtons weithin unverstandenen Ausführungen kommt zu dem Ergebnis, dass Newton den absoluten Raum und die absolute Zeit als unveränderliche Maßstäbe versteht (Ed Dellian: Isaac Newton über absolute und relative Zeit - ein aktueller Beitrag zur Lösung des Zeiträtsels - auf www.neutonus-reformatus.de).

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.