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Sonntag, 21. April 2024

Zum 300. Geburtstag von Immanuel Kant (22. April 1724)

 In den zahlreichen Veröffentlichungen zum 300. Geburtstag von Immanuel Kant wird vielfach die Frage gestellt, was der große Philosoph uns heute noch zu sagen hat, gleich ob es um Frieden, Freiheit, Wahrheit, Moral, Vernunft, Glaube und Hoffnung geht. Kant hätte uns noch mehr zu sagen, wenn wir es nur hören wollten. Nämlich, dass Raum und Zeit angeborene Formen unseres Denkens und Erkennens sind. Dass die Physik um 1900 mit diesen Vorstellungen Kants nichts anfangen konnte, ist nachvollziehbar.  Denn Kants "idealistischer" Philosophie fehlte der Bezug zur realen Welt. Eben die reale Welt, die Materie, ist jedoch Gegenstand der Physik. Auch der Einwand von Philosophen gegen die Relativitätstheorie, Raum und Zeit als Denkkategorien könnten nicht relativ sein, war nicht hilfreich, weil als pauschale Aussage unzutreffend.

Doch in der Mitte des 20. Jahrhunderts entstand die evolutionäre Erkenntnistheorie, deren Grundüberlegung darin besteht, dass auch die Entwicklung des Verstandes im Verlauf der Menschheitsgeschichte durch die Umwelt geprägt wurde. So wie der Huf des Pferdes auf den Steppenboden passt, so passen die apriorischen Kategorien Kants zur Wirklichkeit. Dadurch werden Kants Vorstellungen von Raum und Zeit sozusagen "geerdet" und hängen nicht mehr in der Luft. Dass ausgerechnet Konrad Lorenz (1903 -1989, Nobelpreis 1973), der als "Gänsevater" populär gewordene Verhaltensbiologe, diese epochale Idee hatte, scheint Philosophen und Physiktheoretikern nicht gefallen zu haben. Und so träumt die Wissenschaft weiter von mathematischen Phantasiewelten mit Zeitreisen in einer gekrümmten Raumzeit. 

Mein Lieblingszitat von Immanuel Kant: "Wollte man der Zeit selbst eine Folge nacheinander beilegen, so müsste man noch eine andere Zeit denken, in welcher diese Folge möglich wäre." Dieser wenig bekannte Satz mag etwas rätselhaft klingen. Und doch ist er eine Bestätigung dessen, was Zeit ist. Eine angeborene Form unseres Denkens und Erkennens. Die materielle Welt bewegt und verändert sich ständig. Ohne unser bewusstes Zutun ordnet der Verstand die Bewegungen und Veränderungen in die Zeitskala ein. Dies geschieht, indem der Verstand nach vorher/jetzt/nachher unterscheidet und mit einer festen Maßeinheit arbeitet. Diese Maßeinheit war in der Menschheitsentwicklung ursprünglich der Tag, jetzt ist die Sekunde als physikalische Maßeinheit international exakt definiert.  

    

Freitag, 21. April 2023

Ein Nachwort, das nicht gedruckt wurde

 Zuletzt ergänzt im April 2024

Erst nach der Veröffentlichung meines kleinen Buches "Neue Theorie des Raumes und der Zeit" im Jahr 2020 bin ich zufällig auf die Aussage von Immanuel Kant gestoßen: "Wollte man der Zeit selbst eine Folge nacheinander beilegen, so müsste man noch eine andere Zeit denken, in welcher diese Folge möglich wäre."

Dieser Satz ist wenig bekannt, weil er nicht in den grundlegenden Ausführungen Kants über Raum und Zeit zu finden ist, sondern erst an späterer Stelle der "Kritik der reinen Vernunft". Es war für mich eine Offenbarung, das Ergebnis meines jahrelangen Forschens und Nachdenkens über die Zeit durch den großen Philosophen bestätigt zu finden. Nicht die Zeit verläuft, denn sie ist ein festes Maß, sondern die Veränderungen der realen Welt bilden einen Verlauf. Alles fließt, und das Dahinfließen der Welt messen wir am Maßstab der Zeit.   

Auf der einen Seite war ich glücklich über diese Bestätigung meiner Zeittheorie in diesem entscheidendem Punkt durch Immanuel Kant. Denn wer würde mir, dem wissenschaftlichen Außenseiter und Autodidakten glauben, dass die Zeit - entgegen aller gängigen Vorstellungen - nicht dahinfließt? Allerdings beschreibt  Kant die Zeit als reine Verstandeskategorie ohne Bezug zur realen Welt. Daher habe ich die Sorge, dass Philosophen, die nie verstanden haben, was Zeit ist, sich auf Kant berufen, wenn sie die Zeit zu einer Illusion erklären. Dabei unterliegen sie einem doppelten Irrtum. Dass die Zeit stillsteht, bedeutet ja keineswegs, dass die Welt stillsteht (sie nennen dieses Unding ein "Blockuniversum"). Der zweite Irrtum: Wir Menschen mögen vielen Illusionen unterliegen. Aber nicht alle Verstandesprodukte, wie Raum, Zeit, Mathematik usw. sind Illusionen. Vielmehr sind sie Werkzeuge unseres Verstandes.

Mittwoch, 13. November 2013

Die absolute Zeit

Eine philosophische Polemik gegen die relative Zeit

Die absolute Zeit ist durch zwei Merkmale gekennzeichnet: die Universalität und den gleichmäßigen Verlauf.

Universelle Zeit
Im Gegensatz zu einem Raumpunkt, der einen bestimmten Ort bezeichnet, unterliegt ein Zeitpunkt seiner Natur nach keiner räumlichen Beschränkung. Jeder Augenblick, den ich mit "Jetzt" bezeichne, ist im gesamten Universum der selbe. Dessen sind wir uns von Natur aus gewiss. Weil die Zeit universell ist, sind Zeitpunkte stets auch Gleichzeitigkeitspunkte. In einem zweidimensionalen Raum-Zeit-Diagramm durchschneidet die Gleichzeitigkeitsgerade den gesamten Raum.

In jedem mit "Jetzt" bezeichneten Augenblick geschehen überall in der Welt gleichzeitig unzählige Ereignisse. Die Gleichzeitigkeit dieser Ereignisse ist eine Tatsache, die unabhängig davon gegeben ist, ob ich diese Ereignisse beobachten oder ihre Gleichzeitigkeit messen kann. Gleichzeitigkeit ist eine Tatsache, die nicht von den relativen Beobachtungen unterschiedlicher Beobachter abhängt. Wenn jeder Zeitpunkt überall der selbe ist, so bedeutet dies, dass überall dieselbe Zeit gegeben ist.

Die universelle Zeit folgt daraus, dass die Gleichzeitigkeit von zwei Ereignissen eine objektive Tatsache ist, unabhängig von den Sinneseindrücken unterschiedlicher Beobachter, und unabhängig davon ob wir in der Lage sind, die Gleichzeitigkeit im Einzelfall zu beobachten oder zu messen. 

Die universelle Zeit beruht ausserdem auf der Tatsache, dass wir in einer Welt leben. Die Welt als Ganzes befindet sich in jedem Augenblick in einem bestimmten Zustand, der sich von Augenblick zu Augenblick ändert. Jeder Augenblick, in dem sich die Welt als Ganzes in einem bestimmten Zustand befindet, ist in der ganzen Welt derselbe.

Nach der Relativitätstheorie verläuft die Zeit in unterschiedlich bewegten Systemen unterschiedlich. Wäre dies der Fall, so würde die Welt als Ganzes nicht gleichzeitig existieren. Da alles in ständiger Bewegung ist, wären Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nicht zu unterscheiden.

Die Relativitätstheorie bestreitet die Gleichzeitigkeit als objektive Tatsache. Sie definiert als gleichzeitig, was ein Beobachter gleichzeitig wahrnimmt. Da die Wahrnehmung unterschiedlicher Beobachter von der jeweiligen Lichtlaufzeit abhängt, wird Gleichzeitigkeit durch diese Definition relativ.

Aufgrund unserer natürlichen menschlichen Begrenztheit können wir die Gleichzeitigkeit von zwei Ereignissen außerhalb unseres Sichtfeldes nicht unmittelbar beobachten, sondern nur mit technischen Hilfsmitteln feststellen, welche ebenfalls an Grenzen gelangen mögen. Es gibt keinen Grund dafür, warum die Erfahrung von absoluter Gleichzeitigkeit, die wir innerhalb unseres unmittelbaren Sichtfeldes machen, nicht über dieses Sichtfeld hinaus gelten sollte. Wir wissen außerdem, dass wir bei großen Entfernungen zwischen Beobachter und Objekt die Lichtlaufzeit berücksichtigen müssen, um zu exakten Zeitmessungen zu kommen. Daher ist die Gleichzeitigkeit von zwei Ereignissen eine reale Tatsache, an der nichts relativ ist. Relativ sind lediglich die Sinneseindrücke unterschiedlicher Beobachter infolge unterschiedlicher Lichtlaufzeiten.
    

Gleichmäßig verlaufende Zeit 
Die gedankliche Vorstellung eines gleichmäßigen Zeitverlaufs ist uns angeboren. Doch unser Zeitempfinden ist sehr ungenau. Es reicht hin, um Sekunden von Minuten oder um Minuten von Stunden zu unterscheiden. Unser Zeitgefühl reicht - evolutionstheoretisch betrachtet - unter natürlichen Lebensbedingungen zum Überleben. Aber zur genauen Zeitmessung sind wir auf Uhren als Hilfsmittel angewiesen. Um Zeitrelationen exakt zu vergleichen, brauchen wir Uhren  als Messwerkzeuge, so wie wir zum exakten Vergleich von Raumrelationen einen Meterstab brauchen. Die Uhr taugt aber zum Vergleich von Zeitrelationen nur, wenn sie möglichst gleichmäßig geht. Im Idealfall sollte sie die absolute Zeit abbilden. Nur in der Vorstellung von gleichmäßig verlaufender Zeit ist ein festes Zeitmaß gegeben. Die absolute Zeit ist also keine metaphysische Idee, wie Ernst Mach kritisierte, sondern eine unerlässliche Abstraktionsleistung des Verstandes, um Zeitrelationen vergleichen und messen zu können.

Die gleichmäßig verlaufende Zeit folgt daraus, dass Zeitrelationen nur verglichen und gemessen werden können, wenn die als Zeitmaß gewählte Zeitspanne (zum Beispiel eine Sekunde) stets die selbe Dauer hat. Die gleichmäßig verlaufende Zeit ist ein logisch-mathematisches Prinzip, auf dem das Prinzip der Uhr und der Zeitmessung beruht.

Nach der Relativitätstheorie gibt es kein einheitliches Zeitmaß, weil die Zeit in unterschiedlich bewegten Systemen unterschiedlich verlaufen soll.

Unter der Herrschaft des Zeitgeistes um 1900  war offenbar kein Platz für die Einsicht, dass die gleichmäßig verlaufende absolute Zeit ein logisch-mathematisches Prinzip ist, auf dem die Zeitmessung beruht. Ebenso wurde infolge des gegen Ende des 19. Jahrhunderts in der Naturwissenschaft herrschenden Empirismus, insbesondere auch unter dem Einfluss des Sensualismus von Ernst Mach ignoriert, dass die Gleichzeitigkeit von zwei Ereignissen eine objektive und reale Tatsache ist, die unabhängig von jeder Beobachtung und Messung gegeben ist, woraus zwingend die absolute Zeit als universelle Zeit folgt.

Nachtrag vom Dezember 2022
Der vorstehende Aufsatz ist insoweit überholt, als ich im Jahr der Veröffentlichung (2013) noch von einem Verlauf oder Fluss der Zeit ausgegangen bin.  Doch inzwischen weiß ich: Nicht die Zeit verläuft, sondern die Welt verändert sich. Die Geschwindigkeit der Veränderungen wird am Maßstab der Zeit gemessen.